Zurück aus dem Urlaub durfte ich kurzerhand für ein paar Tage nach Deutschland. Ganz allein! Urlaub von der Familie sozusagen... Genuss pur und dank meiner besten Freunde sind daraus ein paar unvergessliche Tage geworden. Vielen lieben Dank Euch allen es war einfach herrlich!
Zurück in China musste nun auch endlich und mit großer Verspätung Luis’s Geburtstag im Kindergarten nachgefeiert werden. Nun, es war zwar zu erwarten, dass Luis sich so in den Mittelpunkt gestellt nicht sonderlich wohl fühlen wird, aber mit einem Geschluchze dieser Art hatte ich dann doch nicht gerechnet. Ausgerechnet der Kuchen war Schuld, von dem ich nun wirklich genug gebacken hatte. Luis hatte Angst, jemand könnte ihm „seinen“ Kuchen wegessen und weinte unaufhörlich, bis er endlich seinen ersten Bissen nehmen konnte. Dann war gut! Aber er sollte Recht behalten. In sekundenschnelle waren alle 3 Kuchen verputzt, und zurück blieb nicht das kleinste Krümelchen. Nicht die Kinder, sondern die Kindergärtnerinnen fielen über die Kuchen her wie wildgewordene Löwen. Mir blieben die Augen und der Mund offen stehen, aber ich hab es ihnen natürlich gegönnt. Die üblichen Geburtstagstorten bestehen hier aus trockenem Bisquitteig, gefüllt und beschmiert mit Unmengen von Eischnee mit Zucker, eingefärbt mit Lebensmittelfarbe. Auf diesen habe ich verzichtet, da er sowieso nicht gegessen wird, was man nun niemandem verdenken kann.
Das Wochenende darauf hat unser „Bastl-Wastl“, der Bauleiter der Firma uns beehrt. Gleichzeitig mussten wir einen unbekannten Bekannten aufnehmen, der auf der Durchreise war und darüberhinaus hatte ich Expats zum look & see hier, für die ich einen Kaffeklatsch organisiert hatte. Natürlich alles in unserem Hause. Diese Tage glichen mehr denen eines Konditors und gleichzeitig Inhabers einer Konditorei, der nebenberuflich noch als Immobilienmakler fungiert und damit es nicht langweilig wird noch ein Gästehaus betreibt.
Aber alles geht vorüber und letztendlich war es ein bewegtes Wochenende von dem eine schöne Erinnerung bleibt.
Luis und ich sind täglich am basteln und haben uns eine eigene Wand kreiert an dem vor allem Luis`s Meisterwerke bestaunt werden können.
Wie auch in Deutschland, so auch in China. Der erste Reif kam diesen Monat. Nachts fallen die Temperaturen auf unter Null Grad, aber tagsüber ist es wechselhaft von kühlen 7 Grad bis immer noch 23 Grad, alles ist dabei. Ein paar Tage in Peking stehen bevor, und die werde ich nochmal bei milden Temperaturen geniessen. Meine Freundin kommt mich besuchen und wir starten das Programm mit shopping und sightseeing in der Hauptstadt. So kommen mich in meinem letzten Jahr in China doch noch die besten Freunde besuchen, ein wirklich schönes Gefühl! Was auch immer man erzählt oder schreibt, es ist nicht wirklich nachvollziehbar, wenn man nicht selbst hiergewesen ist und einen Eindruck bekommen hat von Land und Leuten. Deshalb ist es so etwas besonderes, zu wissen, dass man diese Erfahrung auch in Zukunft mit jemandem teilen kann, der einem ganz vertraut ist.
Am Monatsende stiegen die Temperaturen nochmal bis 24 Grad und wir haben das Wetter genutzt und einen Ausflug zum ehemaligen Expo Gelände zu machen. Der Tag begann prima!
Leider wurde er durch den Sturz von Luis in einen Teich, bei Wassertemperatur kurz vorm gefrieren, jäh unterbrochen. Das Wasser war nicht nur eiskalt, sondern auch noch brackig, alt
und voll mit Entengrütze. Herrje! Durch die Unterkühlung war Luis natürlich am nächsten
Tag sofort krank. Armer Zwerg! Er ist voll reingestürzt, mit Kopf unter Wasser. Heiner stand
unmittelbar daneben, bekam ihn aber nicht mehr zu fassen, da Luis ausgerutscht und rückwärts ins Wasser gefallen ist. Wir mussten ihn erst splitternackt ausziehen, er hat nur noch geschriehen und wir waren innerhalb weniger Sekunden von Chinesen umringt, die ihn alle anfassen wollten und auf ihn eingeredet haben. Bis ich um mich geschrien und Heiner um sich geschlagen hat. Dann haben sie zumindest 1 m Abstand gehalten.
Ein Unfall, bei dem Heiner und Luis zufällig Zeuge wurden, ließ uns wieder einmal zweifeln, an dem Gemeinschaftssinn der Chinesen und man fragt sich wiederholt, warum? Direkt vor unserer Anlage, welche durch eine hohe Mauer umgeben ist, kam ein Auto aprupt von der Strasse ab und flog in hohem Bogen gegen die Betonwand. Ein paar Arbeiter standen vor dem Eingangstor und natürlich diverse Wachen in Uniform. Niemand, ausser Heiner, kam auf die Idee zur Unfallstelle zu laufen. Der Fahrer lag im Fond auf dem Boden, blutüberschmiert, war bei Bewusstsein, konnte sich aber nicht bewegen. Die Türen waren verklemmt und Heiner versuchte mit aller Kraft, diese zu öffnen. Zuschauer hatte er genug. Erst nach seinen wüsten Beschimpfungen machten sich dann doch etwas widerwillig zwei Wachmänner auf den Weg und halfen dabei, die Tür aufzustemmen. Langsam kamen dann auch die anderen hinzu und riefen per Handy die Polizei. Dies hätte alles 10 Minuten eher geschehen können, aber wozu? Chinesen ziehen gerne Zirkel und teilen die Welt ein in „Innen“ und „Aussen“. Das Wort Gruppenegoist wäre passend. Für die eigenen Leute ist man bereit, alles zu tun; was ausserhalb des Kreises geschieht, kümmert einen erst einmal nicht. Das Wort „Nächstenliebe“ wird hier wörtlich genommen: Man liebt seine eigene Familie natürlich über alles!
Der Westen könnte hier ein wenig von China lernen. Schließlich ist derjenige schnell überfordert, dem wie im christlichen Kulturkreis aufgetragen ist, die ganze Welt zu lieben. Wer sich hingegen konkret um seine nächste Umgebung zu kümmern hat, der trägt leichter Wärme in die Welt. Tatsächlich erscheint einem China oft herzlicher und wärmer als etwa Deutschland. Allerdings wurde mir gesagt, dass Chinesen generell zu Ausländerfreundlichkeit neigen, dass zumindest jenen, die aus dem Westen kommen, privilegierte Behandlung widerfährt und Chinesen ihnen gegenüber oft um einiges freundlicher sind als zu ihren eigenen Landsleuten. Die Kehrseite der chinesischen Herzlichkeit gegenüber Verwandten und Freunden ist eine oft zu beobachtende Teilnahmslosigkeit gegenüber Fremden, siehe Unfall.
Der behauptete Geist der Aufopferung und Selbstlosigkeit jedenfalls konzentriert sich in China im Normalfall auf die zi ji ren, die eigenen Leute, vor allem also auf die Familie und das sie einbettende Netzwerk von Freunden.
Die fehlende öffentliche Moral wird wortreich beklagt! Es gibt Kampagnen über Kampagnen, doch wenn diese vorüber ist, ist alles wieder wie zuvor. Der beklagte Mangel an Gemeinschaftssinn ist ein interessantes Phänomen. Der Spucker im Park würde sich hüten, in den eigenen Hausflur zu spucken. Chinesische Wohnungen sind selbst im Staubloch Shenyang meist so blitzeblank gewischt und poliert, dass jede schwäbische Hausfrau vor Neid erblassen würde. Gleichzeitig finden viele Chinesen nichts dabei, nach dem Essen im Zug ihre leere Styroporschachtel aus dem Zugfenster zu werfen. Selbst wenn man sie der Schaffnerin in die Mülltüte tut, dann wirft diese später die Tüte als Ganzes hinaus auf die Felder!
Chinesen blicken manchmal neidisch auf die Japaner, wären gerne selbst so diszipliniert, zögen gerne auch alle an einem Strang: Was man da alles erreichen könnte, wenn 1,3 Milliarden gemeinsam marschierten! Leider haben in der Realität schon 13 Chinesen die größte Mühe, sich auf eine Richtung zu einigen – was sie dann aber in gewisser Weise auch wieder symphatisch macht.
Was meist ausgelassen wird ist die Rolle des Staates. „Das Volk scheint wie eine Schüssel loser Sand, Milliarden von Körnlein, die nichts zusammenhält.“ Dies hat der Vater der demokratischen Revolution von 1911 SUN Yat-Sen bereits gesagt.
Ich glaube nicht, dass die chinesische Gesellschaft unfähig ist zur Selbstorganisaion, sondern eher, dass sich der chinesische Staat bewusst die Gesellschaft als Krüppel hält.
„Ein schwaches Volk bedeutet einen starken Staat, ein starkes Volk bedeutet den Untergang des Staats“, heisst es im Buch des Fürsten Shang. Dieses lieferte vor mehr als 2200 Jahren, Chinas erstem Kaiser die Regierungsphilosopie. „Ein schwaches Volk hält sich an Gesetze, ein zügelloses wird übertrieben und eigensinnig.“
Man wundert sich nicht, wenn man liest, dass MAO Zedong keinen Kaiser mehr bewunderte, als den ersten...
Die Kulturrevolution hat das Zusammenleben der Chinesen sicher nachhaltig erschüttert.
In dieser Zeit haben Mao und seine Inquisitoren Kinder gegen ihre Eltern, Schüler gegen ihre Leher und Ehefrauen gegen ihre Männer aufgehetzt. Ein ganzes Volk hat sich jahrelang denunziert. Die eben noch einander Treuesten und Nächsten spuckten sich plötzlich an, und in nicht wenigen Fällen trieben sie einander in den Tod. Bis heute erlaubt die Regierung keine öffentliche Auseinandersetzung mit jener Zeit. Aber man spürt bisweilen, dass keiner dem anderen traut. Hinter dem neuen Wohlstand verbergen sich orientierungslose Seelen. Wie ein großes Stück Holz an dem Millionen Ameisen nagen, das ist China heute. Wie soll das Land gesunden? Mao hat Buddha, Laozi und Konfuzius tot geprügelt. Jetzt ist er selber tot. An Jesus glauben die Chinesen nicht. Was bleibt ihnen?
Interessant auch zu wissen, dass das Justizministerium hier 2000 Jahre lang Strafenministerium genannt wurde. Belehrungen wurden begleitet mit der Androhung von Strafen. Rechtes Verhalten erfolgt oft mehr aus Angst vor Sanktionen und vor dem Gerede der anderen denn aus moralischer Überzeugung oder verinnerlichten Prinzipien.
Jeder Versuch der Gesellschaft, sich selbst zu organisieren, wird als Bedrohung empfunden. Deshalb die oft hysterischen Reaktionen der Behörden, wenn sich irgendwo auch nur eine Umweltschutzgruppe ohne den Segen der Funktionäre bildet. Idealismus ist gefährlich und gemeinschaftliches Zusammensein, welches nicht der Befriedigung unmittelbarer und ausschliesslich körperlicher Bedürfnisse (Essen, Sport) dient, ist automatisch verdächtig. Dazu gehören unangemeldete Rockkonzerte ebenso, wie Freiwillige, die eine Gruppe zur Unterstützung von Aids-Kranken bilden. Die Erfahrung haben wir beim Popfestival im Juni selbst gemacht, als eine Fangruppe mit Schlagstöcken niedergeprügelt wurde, nur weil sie etwas unkontrolliert zur Musik ihrer favorisierten Heavy Metal Band gesprungen sind...
So, nun habe ich mich sehr weit hinausgewagt und es würde mich nicht wundern, wenn die Homepage mal wieder gesperrt werden würde. Wollen wir hoffen, dass ich mir nicht selbst einen Strick daraus drehe, so frei meine Meinung zu äussern. Doch da meine Tage hier ohnehin gezählt sind, habe ich es mir nicht mehr verkneifen können.
Die Vorweihnachtszeit naht und wir wünschen Euch allen einen nicht allzu trüben November und gutes Gelingen beim Plätzchen backen! Eure 3 Chinesen...