Was gibt es diesen Monat zu berichten?
Zu Luis:
Luis hat viel mit seinem Kumpel Henry gespielt, der fast jedes Wochenende bei uns zu Besuch war. Die beiden haben das Haus auf den Kopf gestellt und das Tobezimmer verwüstet und hatten jede Menge Spaß.
Der Nikolaus kam ins Lexington Hotel und hatte auch für Luis ein Geschenk dabei. Folgende Worte wurden an ihn gerichtet:
Lieber Luis, ich habe gehört, dass du ein ganz braver und fleissiger Junge bist und deiner Mami immer putzen hilfst. Und ich weiß auch, dass du immer viel Sport machst und schon gaaanz große Muskeln hast! (Luis hat darauf erwidert: „Ja, schau mal!“ Dabei auf seinen Ellenbogenknochen gezeigt, wie hart der schon wär!!) Aber ein großer Junge braucht glaube ich keinen Schnuller mehr, vielleicht solltest du diesen nach Afrika schicken, zu den armen Kindern... was meinst du? (Luis darauf: „Ja, das mach ich gleich morgen“).
Nochmal darauf angesprochen am nächsten Tag meinte Luis allerdings, der Nikolaus wär ja jetzt schon wieder heimgefahren in die Wolken und deshalb könne er auch seinen Diddi behalten... tja, soviel dazu. An der nötigen Konsequenz meinerseits scheitert es schon dahingehend, dass auch ich immer am liebsten das gemacht hab, was andere nicht tun. Darüberhinaus war ich eine Daumenlutscherin bis zum 10. Lebensjahr und sämtliche Versuche meiner Familie, mir dies abzugewöhnen sind kläglich gescheitert. Und, oh mein Gott, da gäbe es eine ganze Reihe von Geschichten darüber!
Also erspar ich mir das Gezeter und hoffe mal, daß auch er nicht –wie mir immer prophezeit wurde- in seiner Hochzeitsnacht den Diddi bevorzugen wird!
Und an alle besorgten Mamis: Bitte erspart mir eure Ratschläge!
Dafür scheint Luis den Charme seines Papas geerbt zu haben. Mit Worten wie „Mami, Du bist zauberhaft“ und „Mami, Du bist wunderschön“ verzaubert er mich und ich könnte ihn fressen bei diesen Worten! Natürlich muss ich mir auch Sätze wie: „Ich mag Dich nicht, Du bist blöd“ anhören. Diese hat er sich selbstverständlich NICHT von seinem Papa abgehört, nein, ich muss gestehen, die kommen wohl von mir. Da unsere Ayi sämtliche Sachen, noch bevor man sie überhaupt irgendwo abgelegt hat, wegräumt und ich manchmal schier aus der Haut fahren könnte, weil kein Tag vergeht an dem ich nicht nach etwas suche, ist mir vor ein paar Monaten mal: „das war wieder die Ayi, die blöde Kuh!“ rausgerutscht. Mehr so im Selbstgespräch. Ha, hab ich mir so gedacht! Seither kann ich nur von Glück sagen, dass unsere kleine Liu (wie ich sie nennen muss, weil sie ja 1 Jahr jünger ist als ich) diesen Satz, der nun desöfteren aus dem Mund meines Sohnes fährt, nicht versteht. Wann immer eine Frage mit den Worten: „Wo ist denn“ beginnt... ist die Antwort darauf klar.
Etwas anders sieht es aus, wenn er versucht Sätze nachzusprechen, die ursprünglich einen anderen Sinn hatten. So z.B. „das schmeckt ja wie Arsch und Friedrich“. Klingt bei Luis dann (gerade als auch noch Besucher mit am Tisch sitzen) so: „Ihh, das schmeckt ja wie der Arsch vom Friedrich“. Man hofft dann, dass die Besucher nicht womöglich auf die Idee kommen, durch diesen Satz auf eine frühe sexuelle oder soziale Orientierung zu schließen!
Zu Heiner:
Migration... Thema Nr. 1 seit Wochen und Heiner wie immer voll engagiert und dementsprechend belastet. Trotz allem sind immer noch wir seine Nr. 1 und froh, daß wir ihm den benötigten Ausgleich vom stressigen Job verschaffen können. Ist doch so, oder Schnuffel? Ja, er nickt und lacht. Wir haben uns einen Wunsch erfüllt und uns ein Auto geleistet, damit Luis und ich im Winter schon mal mobil sind. Hurra!! Heiner war in der ersten Dezemberwoche auf Dienstreise in D, leider mit Erkältung, so daß nur wenige Freunde besucht werden konnten.
Zu mir:
Ist die Katze aus dem Haus... Während Heiner sich in D abmühte, war bei mir Party angesagt. Nikolausfeier bei Pauline, Mädelsabend... na ja, ein wenig Abwechslung eben.
Habe eine Germanistik Studentin an die Hand bekommen und versucht ihr die Präpositionen in all ihren Feinheiten nahezubringen. Sie möchte den Master Abschluss im Januar machen und ich hoffe für sie, dass dieser durch mein Zutun nicht zum scheitern verurteilt ist. Für alle zur Auffrischung: Präpositionen sind Wörter, die beschreiben, wo jemand oder etwas zu finden ist. So weit so gut. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Es gibt ja ausser den lokalen auch noch die modalen, temporlen, kausalen, finalen und konzessiven Präpositionen, von den Verben mit Präpositional Ergänzung mal ganz abgesehen...Manchmal nicht wirklich einfach, eine Sprache und ihren Gebrauch verständlich zu machen, oder könnte von Euch jemand aus dem Stegreif eine Regel aus dem Hut zaubern, welche den Unterschied und die Anwendung von „Gegensatz“ und „Gegenteil“ erklärt? Na eben!
Eine Menge neuer Expats belagern Shenyang. Meist natürlich alleinstehende Männer im Sinne von „allein in China“. Letzte Woche in einem Pub, ein Tisch lautstarker Bayern hinter mir. Ich an der Bar, wartend auf eine Bekannte. Du meine Güte, was für Gespräche man sich da anhören muss. „Jo mei, bei uns geht einfach nix mehr zam, no ned amoi zum Schofkopfa, mei, do ham mia’s oiwei gracha lassn, aba haid ham olle Kinda, Buam wia schauts aus, mia kanntn doch do a wengal über de Stränge schlong, oda?“. Um meine Herkunft nicht preiszugeben, hab ich meine Bestellung auf Chinesisch abgegeben und mir gesagt, „nur nicht umdrehen“. Den Satz „Schauts amoi, do sitzt a saubana Has an da Bar“ habe ich NICHT auf mich bezogen, auch wenn ich die einzige weibliche Person am Tresen war. Der Abend endete letztlich damit, dass wir beim Anlegen unserer Mäntel von hinten attackiert wurden: „Mädels, geht`s es ebba scho hoam??“. Die Bediensteten standen in Reih und Glied und sahen uns schweigsam mit großen Augen an. Sie verstanden zwar kein Wort, aber konnten sicher am Tonfall und unserem Verhalten erkennen, was hier gespielt wurde. Pauline und ich waren kurz vorm Zerplatzen, als wir mit dem Gesicht zur Wand einfach so taten, als wären wir taub.
„Geht`s weida, setzt aich no a wengal zura zu uns“! Du meine Güte, wo hatten sie DIE denn ausgelassen... Lebendig gewordene Wolpertinger im tiefsten Urbayrisch, also, das wird auch einer Bayrin dann zuviel, gell!
Auf der Fahrt von eben jenem Pub kam ich dann doch tatsächlich in die erste Verkehrskontrolle meines Lebens! Drei Baccardi Breezer, nun ja, es hätte gereicht, definitiv. Hatte ich doch erst eine Woche zuvor erfahren, dass nun landesweit verschärfte Kontrollen durchgeführt werden und jeder, der mit Alkohol am Steuer erwischt wird, für mind. 15 Nächte ins Gefängnis wandert. Aber ich bin doch eine Frau?? Und dazu noch Ausländer?? Macht nichts, gilt für jeden!! Würde ich doch sicher die erste Nacht im Gefängnis nicht überleben, ich würde jämmerlich erfrieren, bei -25 Grad Aussentemperatur und unbeheiztem Raum! Habe also erst versucht, den Polizisten samt Absperrung zu umfahren, was diesen natürlich nur dazu bewegte, sich meinem Auto in den Weg zu stellen! Tja, hab noch den Bruchteil einer Sekunde überlegt, ob es nicht besser wäre einfach Gas zu geben, aber mich dann doch anders entschieden. So. Fenster runter, Wimpernklimpern, und grinsen bis zum Anschlag. Ach, dem Polizisten musste einfach warm ums Herz werden. Nun noch der Satz: „Ich verstehe kein Chinesisch“, in höchstem Mandarin gesäuselt und Ihr werdet es nicht glauben, er lächelt und lässt mich weiterfahren! Puhhhh! Bin ich ein Glückskind!!
Übrigens: wenn man mit Alkohol auch noch einen Unfall verursacht, dann kostet einem das hier das Leben! So die Aussage meiner Lehrerin. Da bin ich doch mal froh, dass ich nicht einfach Gas gegeben hab!
Man will ja nicht melancholisch werden, aber immer öfter kommen einem Gedanken darüber, was man denn am meisten an China vermissen wird. Nun, abgesehen von dem Auto, das wir hier fahren, ist es bisher die Fahrweise gewesen, an der ich so unglaublich viel Spaß hatte! Endlich daran gewöhnt, zu fahren wie man will und mit einem schnellen Auto der Boss zu sein
) soll man sich nun plötzlich an Verkehrsregeln halten ? Für die meisten Expats hier (welche überhaupt den Führerschein erwerben und sich darüberhinaus selbst ans Steuer setzen) eine große Umstellung. China ist gerade deshalb anders, weil es für uns scheinbar ohne Regeln auskommt. Die Vorgaben der Regierung beziehen sich auf andere Dinge, mit denen wir nicht wirklich konfrontiert werden. Deshalb ist es für uns, nachdem man den Kulturschock überwunden und die NICHT vorhandenen Regeln verstanden hat, ein unglaublich freies Land! Aber man spürt nun, dass auch diese Zeiten bald vorüber sein werden und China sich anpassen möchte.
Dann werde ich gaaaanz sicher die Sonne vermissen! So kalt die Winter auch sein mögen, der blaue Himmel und der strahlende Sonnenschein dazu machen ihn erträglicher, als das nasskalte Wetter in Deutschland.
Und selbstverständlich die Servicebereitschaft, die auch nicht Halt macht auf öffentlichen Toiletten. Kaum hat man mit dem Händewaschen begonnen, steht schon ein eifriges Fräulein hinter einem und verpasst einem eine Schulter- und Nackenmassage, ungelogen. Gegenwehr zwecklos, Trinkgeld erwünscht. Bestellt man in seinem Lieblingsrestaurant z.B. Auberginen mit Fisch und sind die Auberginen gerade aus, kann es passieren, dass der Koch höchstpersönlich zum Nachbarrestaurant läuft oder auch auf den Markt um die Ecke um eben jenes Gemüse zu besorgen, welches der Gast gerade wünscht. Kaufhäuser haben sieben Tage die Woche geöffnet, abends bis neun. Ruft man morgens China Telekom an, um einen Breitbandanschluss zu bestellen, stehen nachmittags die Techniker auf der Matte: Dauert zehn Minuten, kostet umgerechnet 40 Euro. Gehört, Deutsche Telekom?
Jetzt hör ich lieber auf, sonst verursache ich noch, dass China von der Liste der „Hardship-Postings“ Länder gestrichen wird und dazu der Gehaltszuschlag, fort die zusätzlichen Urlaubstage, und fort die Streicheleinheiten mitfühlender Kollegen („bist schon ein harter Hund“). Zudem ist mir aber auch die andere Seite Chinas nichts fremd. Auch ich hab schon in einem Restaurant auf meine Frage nach Reis vom Personal die Antwort erhalten: „Den Reis haben wir gerade selber aufgegessen“. Auch ich hab einen Scheck schon fünf Mal hintereinander zurückbekommen: Einmal, weil der Angestellte behauptete, ihre Bank hätte noch nie Schecks angenommen (???), und mich dabei ansah wie eine Geisteskranke; einmal, weil meine Unterschrift das falsche Feld ansatzweise berührt hatte; einmal weil ich den September als Monat „9“ abkürzte, statt wie korrekt mit „09“; einmal weil ich verbotenerweise den Kugelschreiber benutzte; und zu guter Letzt, weil ich ihn mit blauer Farbe ausfüllte statt wie vorgeschrieben mit Schwarz.
Aber genau das liebt man an China. Für jede morgens aufgestellte Behauptung lässt sich bis zum Abendessen das Gegenteil beweisen, natürlich nicht, ohne die Frühstücksthese aufzugeben! Kein Yin ohne Yang!