Spuni & family
  Mai 2009
 
In diesem Monat war soviel Action, dass ich mich gar nicht mehr an alles erinnern kann... Tja, das Alter! Gleich zu Beginn waren wir mit dem Zug nach Peking unterwegs. Für Luis natürlich ein besonderes Abenteuer. Leider hatten wir übersehen, dass die Fahrt für ihn zwar kostenlos, aber dafür auch ohne Sitzplatzanspruch ist. Der Zug, wie in China üblich zu Feiertagen, restlos ausgebucht. Unsere Plätze waren noch nicht einmal nebeneinander, jedoch war schnell eine hilfsbereite Familie gefunden, die mit uns Plätze tauschte und die Fahrt somit noch recht erträglich wurde. Landschaftlich hatten wir uns mehr erwartet, aber nun wissen wir zumindest wie das Umland aussieht, nämlich auch nicht anders als hier bei uns in Shenyang. Die unglaubliche Armut ist zu sehen und man wird nachdenklich, ob all der bescheidenen Hütten, in denen die Menschen hausen, trotz der Kälte hier im Norden.

In Peking hatten wir bei unseren Freunden wie üblich viel Spaß! Grillen, shoppen, relaxen, ganz nach unserem Geschmack. Luis war kurzerhand einmal ausgebüchst und verschwunden. Herrje! Was einem da alles in den Sinn kommt, vor allem hier, wo täglich Kinder entführt und verkauft werden. Aber Luis ist einfach bei den Nachbarn in den Hinterhof spaziert und hat sich dort amüsiert, während wir mit unserem Suchtrupp die Anlage von der Größe eines Dorfes abgesucht und vor allem abgeschrien haben.

Zurück in Shenyang folgten diverse Grillabende, u.a. mit unseren neuen Nachbarn Bobbie und Tim aus Seattle. Und nicht zu vergessen die Abschiedsparty von unserer Uschi, schnief. Sie fehlt uns schon jetzt und wir wünschen ihr einen super Start in Landshut, ihrer neuen Heimat. Wir werden ihre unzähligen roof-top-partys nie vergessen. Eine der wenigen Highlights hier in der Diaspora.

Luis geht weiterhin in den Kindergarten und nachdem sein Liebling „Gaby“ leider ihren letzten Arbeitstag dort hatte, gibt seit neuestem Bobbie, die Amerikanerin, dort Englischunterricht. Das ist ein würdiger Ersatz.

Unser Gärtner, „Laohu“ ist mittlerweile zum Opa-Ersatz geworden. Luis dackelt ihm hinterher wie ein kleiner Hund seinem Herrchen und es ist zur Gewohnheit geworden, daß „Laohu“ ihn nachmittags mit seinem Motorrad abholt und sie einige Runden durch die Anlage drehen. Ein Bild für Götter, die 2 Easyrider! In Deutschland undenkbar, aber hier nichts besonderes. Ausser für Luis natürlich. Ob Rasen mähen, Unkraut jäten, Gemüse pflanzen, Luis ist der beste Helfer für unseren Gärtner. Ein tolles Team die beiden und ihr Anblick, bei allem was sie miteinander so werkeln, eine Freude für jedermann.

(Das waren nun wohl Worte einer stolzen, ganz verzückten Mama...)

Eine Überraschung konnte ich aufdecken, Gott sei Dank! Christian und Stefan kommen nach China zu Besuch! Welch eine Freude, ich hätte es ja nicht mehr für möglich gehalten, hier noch Besucher empfangen zu dürfen. Hut ab, dass ihr es wagt! Einziger Wehrmutstropfen: sie kommen genau in der Woche, in der ich voll mit dem Popfestival zu tun habe. Also bleibt leider, leider nicht besonders viel Zeit für sie. Aber wir werden trotzdem das beste daraus machen.

Die Vorbereitungen für das Event „Deutschland und China, gemeinsam in Bewegung“ laufen auf vollen Touren und dies führt mich desöfteren in den Zhaoshan Park, in dem das Spektakel stattfinden wird. Die Parks in China dienen den Menschen zum „re nao“, übersetzt: Hitze und Lärm. Die chinesische Art sich zu entspannen. Ich will versuchen es zu erklären. China ist groß, doch wenn man Wüste und Gebirge abzieht, dann bleibt nur noch wenig Platz für die vielen Menschen, sodass sie sich arg drängeln. Sie leben in winzigen Wohnungen, kämpfen um wenige Studienplätze und fahren morgens um sieben mit zum Bersten gefüllten Bussen zur Arbeit. Da meint man, dass so ein blau gestossener Pendler von Ruhe träumte und von Einsamkeit. Tut er aber nicht.

Wenn man in China einen heiligen Berg besteigt, dann weiß man nicht, was einen mehr irritiert: Die der Familie der Feuerwehrsirenen zugehörigen Megafone der Reiseleiter. Das Kreischen der Steinsägen alle paarhundert Meter, wo Handwerker neue Treppenstufen zurechtschneiden (denn auf alle heiligen Berge in China führen Treppen vom Fuß bis zum 3000 Meter Gipfel). Oder aber der Jahrmarkt auf dem Gipfel, wo insgesamt 3 Seilbahnen Heerscharen von Touristen in die Tentakel der keifend um Kunden ringenden Souvenirverkäufer und Restaurantschlepper spucken. Aber man muss keinen Berg besteigen – wer immer eine Nacht mit einer chinesischen Reisegruppe auf dem gleichen Hotel Stockwerk verbracht hat, der weiß: Die Mehrzahl der Chinesen finden Vergnügen und Erfüllung in „re nao“, „Hitze und Lärm“. Es zieht sie immer dorthin, wo schon viele andere sich aneinander reiben, wo die Hölle los ist. Deshalb verhaken sich die Paddelboote auf jedem Teich regelmäßig zu prächtigen Knäueln, die sich vor den Verkehrsstaus in Peking nicht zu verstecken brauchen. Deshalb reihen sie sich in jede Schlange ein, an der sie vorbeilaufen, ohne zu wissen, wofür sie da eigentlich anstehen. Deshalb gilt in China nicht die stilvolle Einrichtung eines Restaurants als Gradmesser für Qualität, sondern der aus ihm dringende Lärmpegel.

Re nao ist ein zur Erlangung von Spaß und Freude angestrebter Daseinszustand: Man taucht ein in eine möglichst große Anzahl von Menschen, um einander dann durch die Absonderung von möglichst viel Dezibel zu versichern, dass man nicht allein ist auf der Welt.

Noch ein Beispiel: Amerika und Europa sind ohnehin merkwürdige Orte. Dort ist Angeln ein Sport, der Geduld und Konzentration verlangt, Morgendämmerung und Einsamkeit. Hier geht Angeln so: Ein paar Freunde fahren sonntags in die Berge, stellen sich –alle auf einmal- um einen kleinen Beton-Swimmingpool herum und halten ihre Angeln rein. In jedem Becken tummeln sich doppelt so viele Forellen, wie Angler drumherum stehen, also ungefähr eine halbe Million. Wer nach fünf Minuten noch keinen Fisch gefangen hat, der hat aus Versehen seinen Golfschläger ins Becken gehalten. Jetzt fehlt nur noch eines: ein Feuerwerk. Und so hallen bald die Böller durchs Tal, stundenlang. Wenn die Forellen bauchoben im Becken treiben, ist die Idylle perfekt.

Zur Mutter aller re naos wurde der Tag, an dem Peking die Olympischen Spiele zugesprochen wurden: Die ganze Nacht hindurch war von den Reportern am TV-Schirm kein einziges Wort zu verstehen.

Deshalb verbringen viele Chinesen den größten Teil des Jahres in den Parks, wo es wuselt, brummt und quietscht, dass es eine Pracht ist. Re nao!

 
 
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