Spuni & family
  November 2007
 
Der Winter ist da! Wir hatten gehofft, daß er noch etwas länger auf sich warten lässt, aber es kündigt sich ein kalter, langer Winter an. Bereits im Oktober gab es den ersten Schnee und auch im November hatten wir hin und wieder damit zu kämpfen. Sobald es regnet oder schneit, ist in der ganzen Stadt kein einziges Taxi zu bekommen! Wenn man bei Schneesturm mit Tüten bepackt auf der Straße steht ist das nicht besonders angenehm. Die Nächte sind mit bis zu -15 Grad eisig kalt und dementsprechend sind, wie alle Jahre wieder, die Flüsse bereits zugefroren.

Ein Highlight in diesem Monat war der ICS Ball (International Club of Shenyang). Motto war "Shanghai der 30-er Jahre". In der Galerie könnt Ihr einige Bilder bewundern.

In diesem Monat bleibt uns an Krankheiten nichts erspart. Luis fängt sich einen schlimmen Magen-Darm Virus auf, der ihm 2 Tage Fieber von über 40 Grad bereitet. Dazu Durchfall und Erbrechen. Luis kann 5 Tage fast nichts bei sich behalten. Die Angst vor einen Dehydrierung wird zu groß und wir müssen den Arzt rufen. Wir sind froh, daß hier Hausbesuche gemacht werden. Dank der richtigen Medizin, geht das Fieber nach unten, aber wir haben Probleme Luis Flüssigkeit zuzuführen. Nachdem uns eine Infusion in den Kopf angedroht wird, geht es plötzlich und Luis beginnt zu trinken, als hätte er es verstanden. Der Virus geht reihum und trifft ein paar Tage danach auf mich und anschließend auf unsere Ayi, die unsere Wohnung ohne Hemmungen vollspuckt! Endlich wieder genesen und alle um ein paar Kilos leichter, bekommt Luis eine Erkältung mit starkem Husten. Die Nächte werden zur Qual. Das ganze Jahr waren wir von Krankheiten verschont, dafür kommt jetzt eins nach dem anderen. Vielleicht tragen die Impfungen, mit denen wir im Oktober begonnen haben dazu bei.

Diesen Monat haben wir uns einen „Mädelausflug“ nach Peking gegönnt. 1 Tag shopping pur. Morgens hin und abends zurück. Für uns war es gleichzeitig ein Ausflug in eine andere Welt. Eine Stadt voller europäischer Gesichter. Stühle im Freien vor den Lokalen, seinen Kaffee in der Sonne genießen! Deutsche Bäckereien in deren Auslagen Nussecken und Quarktaschen zu bestaunen sind. Eine Verkäuferin die in schwäbischem Akzent fragt: „Wasch darfschs sei?“! Peking gleicht einer multikulturellen Großstadt, aber unser „China“ konnten wir dort nicht entdecken. Uns wurde noch mehr bewußt, in welch einer Provinzstadt wir leben. Die verschiedenen Fake Märkte hatten es uns angetan. Deren Größe allerdings so enorm ist, dass sie an einem Tag unmöglich zu entdecken sind. Allein das „Handeln“ nimmt einem so viel Zeit und Kraft, dass man nach dem 2. Stockwerk meist nur noch entnervt ist. Bei 6 Stockwerken und tausenden von Ständen bräuchte man Tage! Levis Jeans Anfangspreis liegt bei umgerechnet 50 Euro. Manch ein Ausländer greift sofort zu! Sind sie jedoch für sage und schreibe 9 Euro zu bekommen. Doch der Weg zu diesem Preis ist schwer und es hat seinen Sinn. Man gibt meist bei 15 – 20 Euro auf, weil man keinen Nerv mehr hat. Für uns war es etwas leichter, da wir uns soweit auf chinesisch verständigen konnten, was den Verkäufern zeigt, dass wir hier leben und die Preise kennen. Erstaunlich war jedoch, dass es nicht einen Stand gab, an dem die Verkäuferin nicht mindestens Englisch gesprochen hätte. Meist glänzen sie auch noch mit Russisch- oder Deutschkenntnissen. In Shenyang nicht vorstellbar! Wir hatten unseren Spaß und am Ende einige Probleme unsere Sachen zu verstauen. Doch zum Glück gibt es Koffer und Taschen auf dem Fake Markt und so haben diese Stände noch ein gutes Geschäft mit uns gemacht.

Ich möchte einmal versuchen ein paar Vorurteile abzubauen:

1. Chinesen essen immer Reis

Es ist mir noch nie so schwergefallen, Reis zum Essen zu bestellen wie in China. Gilt es fast als Beleidigung sofort bei der Bestellung Reis in Auftrag zu geben. Sollte man doch erst versuchen, durch all die anderen köstlichen Speisen satt zu werden. Reis gilt als „Sattmacher“ und wird, wenn überhaupt, erst zum Schluß bestellt. Auch wenn man als unwissender Europäer dies nicht tut, wird der Reis immer erst zum Schluß serviert.

2. In China gibt es zwei Geschmacksrichtungen: Süß und sauer

Es scheint, als wären den Italienern auf dem Rückweg der Rest der chinesischen Küche verlorengegangen. Deshalb sind wohl die China Restaurants in Europa ein Hort abgrundtiefer Tristesse. Genauso ungeniessbar sind die Speisen, die einem hier in einem europäischen Restaurant vorgesetzt werden. Die meisten Chinesen sind von dem Essen dort enttäuscht, für uns sind die Speisen fast ungeniessbar.

3. Chinesen sind verschlossen, leise, höflich, bescheiden und zurückhaltend

Dieser Irrtum liegt einer Verwechslung zurgrunde: So sind die Japaner. Wenn ihr in Zukunft einer Gruppe Asiaten begegnet, die für sich als fröhlicher Rummelplatz durchgehen könnten, dann dürft ihr davon ausgehen, dass ihr es mit Chinesen zu tun habt.

4. Chinesen können kein R aussprechen und sagen stattdessen immer L

Ich habe schon Chinesen getroffen, die rollen ein R, dass man in Deckung geht, weil man ein Gewitter im Anmarsch vermutet. Wahr ist allerdings, dass sie in ihrer eigenen Sprache auf den rauhen R-Laut verzichten und diesen hier so wie im englischen aussprechen.

5. Alle Chinesen sehen gleich aus

Das beliebteste Klischee der Chinesen über uns: Alle Europäer sehen gleich aus.

6. In China herrscht der Kommunismus

Falsch.

7. In China herrscht der Kapitalismus

Genauso falsch.

8. Chinesisch ist eine schwere Sprache

Es ist selbst 1,3 Milliarden Menschen unterschiedlichster Intelligenz gelungen, das Chinesische zu erlernen, und zwar recht fließend. Man kann sogar behaupten das gesprochene Chinesisch ist eine der einfachsten Sprachen der Welt, dem es gelingt praktisch ohne Grammatik auszukommen. Wenn man ausdrücken möchte, dass etwas gestern passiert ist, dann sagt man halt „gestern“. Das arme Verb kann man dabei getrost in Frieden lassen. Richtig ist allerdings, dass auch unter den Chinesen die Vermutung weit verbreitet ist, die Beherrschung ihrer Sprache sein ihnen in die Gene gestrickt und Menschen mit weißer Haut sei dies gewissermaßen per Geburt verwehrt. Wenn man also in der Landessprache nach dem Weg fragt, erntet man meist einen verständnislosen Blick, weil es ja unmöglich Chinesisch gewesen sein kann, was da aus dem Mund des Ausländers purzelte. Mir ist auch schon passiert, dass als Antwort ein: „Entschuldigung, aber wir sprechen kein Englisch“ kam. Das gesprochene Chinesisch ist also herrlich unkompliziert, Schreiben und Lesen lernen dagegen eine üble Büffelei.

Zu Nr. 6 und 7 ist zu sagen, dass es nicht ein China gibt. Es gibt viele Chinas. In China kann man eine Erste Welt und eine Dritte Welt finden, gestern und morgen, kommunistische Ödnis und kapitalistischen Glanz, sexuelle Revolution und brutale Diktatur, Bauernarmut und Millonärsvöllerei. Die einen fahren BMW, die anderen sind froh, wenn sie einmal im Jahr ein Stück Fleisch in die Schüssel bekommen. Man kann nicht entscheiden, welches das eigentliche China ist. China ist rätselhaft. Aber vielleicht ist das wiederum etwas typisch Deutsches: das Schlauwerdenwollen.

So, nun fällt mir nichts mehr ein. Im Dezember sind wir auf Deutschlandurlaub und wir freuen uns, Euch bald persönlich wiederzusehen! Bis bald!

 
 
  Copyright C. Berger  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden