Spuni & family
  Juni 2007
 
Juni 2007 Der Juni begann damit, dass wir einen Kindergarten besichtigt haben. Eine befreundete Japanerin hatte uns eingeladen, deren Sohn dort untergebracht ist. Es war ganz interessant zu sehen, welche Größe eine solche Einrichtung hier hat. Vergleichbar mit einer grösseren Schule würde ich sagen. Über 20 Gruppen gibt es, extra Schlafsaal, Musikzimmer, Kunsträume, Schwimmhalle usw. Die Förderung der Kinder beginnt hier im zarten Alter von 3 Jahren. Sobald man sein Kind im Kindergarten anmeldet entscheidet man gleichzeitig, ob es in Mathematik, Gesang, Sprachen, Kunst, Geschichte oder Geographie besonders gefördert werden soll. Zum spielen bleibt nicht viel Zeit wie ich erfuhr. Die Zeiten sind täglich von 8 Uhr bis 16.30 Uhr und es gibt 3 Mahlzeiten, Frühstück, Mittag- und Abendessen. Dazwischen mehr oder minder Unterricht. Die Direktorin scheute sich nicht mich zu fragen, ob ich nicht für einen Elternnachmittag „deutsch“ kochen wolle. Ca. 30 Personen wären anwesend und ich müsste die Lebensmittel selbst besorgen. Ein direktes nein erschien mir zu unhöflich und so kam ich insoweit aus der Sache heraus, dass ich einen Backofen verlangte, der natürlich nicht vorhanden war. Daraufhin wurde ich gebeten, einen Vortrag über Erziehung in Deutschland zu halten. Nun konnte ich nicht mehr aus! So schnell wird man hier zur Dozentin. Samt Übersetzerin stellte ich mich dann 2 Tage später vor versammelte Mannschaft und es wurde eine ganz interessante Runde. Es war mehr ein Vortag über Erziehung und Ernährung, da sich schnell herausstellte, dass sie darüber so gut wie gar nicht informiert sind und auch nicht wissen, woher sie die Informationen nehmen sollen. Für uns unvorstellbar, werden Kinder hier sobald sie Zähne bekommen, mit Innereien, Fisch und Knochenmehl gefüttert.

Luis ist mittlerweile der Star von Kaixing Garden und voll integriert. Wenn wir nachmittags auf dem Gemeinschaftsplatz ein paar Runden drehen, dann winken die Opas schon von weitem und Luis flitzt auf sie zu und lässt sich gerne von ihnen herumschaukeln. Hier ist man immer noch Exot als Europäer und in null komma nichts sind wir umzingelt und werden mit Fragen bombadiert, die wir leider noch nicht alle verstehen.

Der ersten 2 Zähne sind durch und die ersten kleinen Verletzungen haben wir auch hinter uns. Aufgrund der neuen Mobilität, lässt es sich nicht immer vermeiden. Ein Stoß hier und einer da, Finger eingeklemmt im Schub usw. Luis zieht sich mittlerweile alleine an den Möbeln hoch und hantelt sich von einer Seite zur anderen. Er versucht jetzt an einer Hand zu laufen und da passiert es noch ab und zu, dass er auf dem weich gepolsterten Hinterteil landet. Auch unser neues Familienmitglied, Taifun, ein Zwerkaninchen, lässt nicht alles mit sich machen. Luis denkt wohl, er sei ein aufziehbarer Stoffhase und sobald er ihn zwischen die Finger bekommt steckt er ihn erstmal in den Mund um ihn anschließend laut kreischend und in hohem Bogen durch die Gegend zu werfen. Der Hase versucht einen großen Bogen um ihn zu machen, aber manchmal ist Luis schneller. Dann passiert es schon hin und wieder, dass Luis einen Kratzer abbekommt.

Momentan ist Fahrradsaison. An jeder Ecke und in jedem Kaufhaus werden „fliegende Schwäne“ verkauft. So heißt die hier führende Marke. Räder gibt es ab 20,- Euro und die Qualität ist durchaus zufriedenstellend. Für uns sehr amüsant, den Einheimischen beim „radeln“ zuzusehen. Dass der Sitz verstellbar ist, scheint hier niemanden zu interessieren. Alle fahren mit der niedrigsten Sitzposition. Etwas übertrieben dargestellt kann man sagen: Erst wenn die Knie das Kinn berühren, kann es losgehen. Nach dem Motto „alles fließt“ begibt man sich dann in den Verkehr. Egal ob Sommer, Winter, strömenden Regen, Schnee, 40 Grad oder minus 30 Grad oder auch Sandsturm, es wird immer mit der gleichbleibenden Geschwindigkeit geradelt. Manchmal denkt man, gleich fallen sie um und man frägt sich, wie sie das Gleichgewicht halten können. Aber schon den Kindern wird gelehrt, immer gleich viel Energie zu verbrauchen und nie zu schnell zu fahren. Die Damen tragen lange Handschuhe im Sommer und Sonnenschutzkappen, die über das Gesicht gezogen werden. Sofern man nicht in Besitz einer solchen ist, tut es auch irgendein Tuch, das man über den Kopf legt und durch den Fahrtwind ans Gesicht gedrückt wird. Sieht mehr als seltsam aus, wenn einem diese „Gespenster“ entgegenkommen. Wer zu Fuß unterwegs ist, schützt sich mit einem Schirm gegen die Sonne. Wir haben bei strömenden Regen in Deutschland noch nicht soviele Menschen mit Schirm erlebt, wie hier, wenn die Sonne scheint. Und das tut sie momentan täglich mit etwa 33-35 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit.

Nun noch die längst versprochene Info über das Zugfahren in China. Chinesische Bahnhöfe in Großstädten, erinnern mehr an hochmoderne Flughäfen und sind ein Universum für sich. Unglaublich große Menschenmengen werden hier „umgeschlagen“. Alleine findet man sich kaum zurecht als Ausländer. Wanderarbeiter kampieren auf dem Bahnhofsvorplatz, fliegende Händler versuchen noch auf die letzte Minute allerhand praktische und weniger praktische Dinge an den Mann zu bringen. Elektrischer Pandabär? Ohrenkratzer? Buddhistische Amulette? Nebenbei drängen sich Tausende von abfahrenden und ankommenden Reisenden durch die Hallen. Am Eingang werden die Taschen durchleuchtet. Dabei geht es nicht um terroristische Gefahren, sondern eher um Feuerwerkskörper, die manch einer für eine bevorstehende Hochzeit mitnimmt. Die Bahnsteige sind grundsätzlich geschlossen. Dies hat man wahrscheinlich dem gewaltigen Gedränge zu verdanken. Erst wenn der Zug einfährt, wird das jeweilige Tor für kurze Zeit geöffnet. Sofern man richtig sitzt, ist die Ankunft des Zuges nicht zu übersehen. Schlagartig verwandelt sich die Menschenmenge in einen schiebenden und drängelnden Pulk, der mit unglaublicher Geschwindigkeit in Richtung Bahnsteig quillt. Aus gutem Grund sind die Sitzplätze in der Regel reserviert. Jedoch nicht die Gepäcknetze! Und fast alle sind mit Taschen, Tüten und Paketen beladen. Wir waren mit einer Gruppe unterwegs und befuhren die Strecke Shenyang-Harbin, welche mit der Transsibirischen Eisenbahn zurückgelegt wurde. Theoretisch ist China eine sozialistische und daher klassenlose Gesellschaft. 1. und 2. Klasse gibt es bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft deshalb nicht. Wer Zugtickets kauft, darf stattdessen zwischen Weich-Schlafen, Hart-Schlafen, Weich-Sitzen und Hart-Sitzen wählen. Unsere Gruppe hatte sich natürlich für die luxuriöseste Variante, dem Soft-Sleeper entschieden. Ein Abteil besteht aus 4 Betten (2 Stockbetten) mit weicher Matratze, Bettzeug und Teppichboden. Alles eher etwas schmuddelig, was wohl eher am Alter des Zuges lag. Der etwas altbackene Hauch von Sozialismus war nicht zu übersehen. Gehäkelte Tischdeckchen, eine Blumenvase, die bei dem Halt erneut umfällt und Gardinen, die auch bei Oma in der Küche hängen könnten. Zumindest trifft man in den Soft-Sleepern wohlhabendes Publikum, das beim Anblick eines Ausländers keine Purzelbäume schlägt. Hier, und nur hier, lässt sich der Lautsprecher abschalten!

Wer sich für den Hard-Sleeper entscheidet, muss mit 6 Betten in einem Abteil, welches zum Gang hin offen ist, vorlieb nehmen. Spätestens ab 6 Uhr ist hier die Hölle los. Peking-Oper bis die Lautsprecher krachen, dazu das Piepskonzert der außerordentlich beliebten Gameboys. Gespräche finden daher im oberen Phonbereich statt und zu erzählen gibt es offensichtlich genug.

Irgendjemand ist immer auf dem Weg von oder zur Toilette, über Taschen, Pakete und Kinder hinweg. Die Passage eines Ausländers sorgt für eine Welle von „Hello“ und Gelächter ob der seltsamen Gesichtszüge. Anlass zum Grinsen gab es auch auf unserer Seite: Die Chinesen wechseln bereits am frühen Nachmittag in den Schlafanzug und wir waren froh nicht an der Pyjama Party teilnehmen zu müssen.

Puh, das war jetzt eine ganze Menge Input. Neue Geschichten von uns gibt es dann im Juli! Bis dahin zai jian!

 
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