Der Oktober ist nun also auch vorüber und damit gleichzeitig der Herbst. Es war relativ trocken und sonnig, aber schon sehr frisch, zumindest am Anfang des Monats. Danach war es fast sommerlich warm mit 23 – 25 Grad. Allerdings wurde es nun fast übernacht Winter, mit Tiefstwerten um die -2 Grad. Das Wetter spielt hier im Alltag keine Rolle. Kommt man in Europa mit jeder Person ins Gespräch, sobald man anfängt über das Wetter zu jammern, so erntet man hier allenfalls einen gleichgültigen Blick. Gespräche, sogenannte Smalltalks, drehen sich hier fast ausschließlich um die Familie und deren Angehörige. Ob sie einem bekannt sind oder nicht spielt dabei keine große Rolle.
Luis und Heiner waren kurz mit einer Erkältung flachgelegen, aber alles war halb so schlimm. Wir erfreuen uns nach wie vor an den sprachlichen Fortschritten unseres Sohnemanns. Nachvollziehbar wahrscheinlich nur für all diejenigen, die selbst Kinder haben. Wegen eines noch so kleinen Wortes in derartige Verzückung zu geraten, ist für mancheinen Grund, sich mit dem Finger an die Stirn zu tippen... Und wenn wir uns recht erinnern, dann ging uns das früher ebenso. Auf alle Fälle freut sich Mamili über nichts so sehr, als wenn Luis freudestrahlend „Kalotte“ schreit, nachdem er sie ausgerupft hat (gemeint ist die Karotte).
Luis versucht sich aussderdem im Kindergarten. Vormittags ist er nun mit anderen Kindern zusammen. Man darf nicht genauer hinsehen und muß praktisch die Augen verschließen um sein Kind guten Gewissens dort abzugeben. Einige Forderungen mußten ausgesprochen werden, z.B. die aktive Bekämpfung des im ganzen Kiga-Gebäude verbreiteten Schimmels. Auch die Hygiene läßt mehr als zu wünschen übrig! Erstaunt ist man hingegen über die Preise. Ein Platz für den halben Tag kostet wahrlich 210,- Euro. Hier kann jeder Kindergärtner sein, Bedingung ist einzig und allein, daß man dem weiblichen Geschlecht angehört. Pädagogik?? Scheint ein Fremdwort zu sein. Es gibt eine Broschüre in der man darüber informiert wird, daß es ein altes Märchen ist, zu glauben, daß man von Zugluft krank würde. Man könne auch ruhig bei Minusgraden mit nassen Haaren nach draussen gehen. Tja, was sagt man dazu?? Leben wir alle hinter dem Mond, oder wissen die Chinesen tatsächlich mehr? Vor ein paar Tagen wurden glatt alle Kinder von einem Löffel gefüttert und ich wurde mit Blicken die töten könnten beworfen, als mein schriller Aufschrei Luis davor bewahrte, die Bakterienschleuder in den Mund gesteckt zu bekommen. Luis ist auf alle Fälle nicht wirklich glücklich dort, es ist zwar ok für ihn, aber es wird ihm nichts geboten, was sein Interesse weckt. Ob es an seinem Alter liegt oder einfach daran, dass mit den Kinder weder gebastelt, noch ein Buch (solche sind im Gruppenraum überhaupt nicht vorhanden) angesehen, geschweige denn aktiv etwas unternommen wird. Jeder ist sich mehr oder weniger selbst überlassen. Es gibt zwar genügend Helferinnen, welche aber mehr für das „Toilette gehen“ zuständig sind. Da chinesische Kinder keine Windeln tragen, geht halt auch ständig irgendwas daneben. Das wird dann mit einem Feudel aufgewischt, mit dem anschließend den Kindern der Mund abgeputzt wird. Pfuideife! Die Kinder werden mit Süßigkeiten, die ihnen unkontrolliert verabreicht werden bei Laune gehalten, oder man schreit sie einfach an oder frustriert sie von vornherein in dem man ihnen eine Aufgabe stellt, die für die meisten Kinder unlösbar ist. Und nicht nur für sie, sondern auch für mich, wenn englische Lieder in einer Lautstärke vorgespielt werden, dass einem selbst fast das Trommelfell platz, Luis weinend „laut, laut“ schreit und der Text absolut unverständlich ist. Nur wer das Lied nachsingen kann, darf sich ein Spielzeug aussuchen. Das ist dann entweder ein abgerissenes Ohr eines Teddybären oder auch ein abgerissener Arm einer Puppe. Alle natürlich schön mit einer braunen schmierigen Schicht überzogen. Klingt alles sehr einladend, was?
Marienkäfer bringen Glück, so heißt es. Wenn sie aber zu Tausenden anrücken, werden sie zu Störenfrieden. Der asiatische Vetter der heimischen Käferart ist weiter auf dem Vormarsch und erobert anscheinend auch Europa. Vom Nützling zum Schädling praktisch und beissen tun sie auch noch, diese blutrünstigen Biester. Jaaaa, wir sind von der alljährlich im Herbst auftretenden Marienkäferplage heimgesucht. Hier auf dem Land natürlich weitaus unangenehmer als in der Stadt. Wenn man morgens die Tür öffnet und sich tausende der Käfer an der Hauswand tummeln, dann erfreut man sich nicht mehr an den kleinen Tierchen. Sie dringen durch Fenster und Balkone in die Wohnung ein, offenbar auf der Suche nach einem Winterquartier – und sie haben Hunger! Gottseidank dauert diese Plage nur 2-3 Wochen und wir können wieder aufatmen.
Kurz vor Monatsende, nachdem wir die letzten Wochen kiloweise Mandarinen verdrückt haben, erreicht uns die Nachricht, dass diese leckere Frucht von Würmern befallen wäre und vor deren Verzehr gewarnt wird. Aber auch das lässt uns mittlerweile kalt. Manchmal scheint es, als ginge die Gelassenheit, Gleichgültigkeit und Zähigkeit der Chinesen auf uns über.
Das war es für diesen Monat. Viele liebe Grüße an alle Leser, Eure 3 Chinesen