Spuni & family
  Mai 2010
 

Von toten und lebendigen Männern ...

Anruf vom Frontoffice: „Da kommt ein Lieferwagen für Sie“. O.k., alle mal reinlassen. Hab zwar nix bestellt, aber vielleicht der neue Hausbesitzer??! Transporter steht vor der Tür mit 2 riesen Kisten, die aussehen wie selbst gezimmerte Särge a la China, auf der Ladefläche. Auf die Frage nach „was ist denn da drin“ erhalte ich eine Antwort, die ich absolut überhaupt gar nicht verstehe. Hää?? Alles, was ich verstehe ist, dass sie die Kisten hier abladen wollen und ich auch nichts bezahlen müsste. Wär alles schon erledigt. Also gut, dann her damit. Frage trotzdem noch mal, was denn da drin wäre. Doch keine Leichen oder so was?? Da ich das Wort für Leichen nicht weiß, sag ich einfach Menschen, die nicht mehr leben. Und prompt nicken die beiden Jungs von der Auslieferfirma. Was?? Menschen, die nicht mehr leben und das in meiner Garage??? Ja gibts denn so was??!! Hilfe, Banditen, Mörder!! Ich schreie meiner Ayi um mir Unterstützung zu holen. Die meint auch, da wären Menschen drin, die nicht mehr leben!! Es ist ja so, dass Chinesen sich sehr schnell auf einen einstellen. So wie die Deutschen, die mit einem Ausländer sprechen. Plötzlich wird nur noch irgendein Kauderwelsch geplappert und das Sprechen in ganzen Sätzen entfällt. Hört sich ungefähr so an: „Ja, kommen Menschen, nix mehr laufen, nur stehen, nix sprechen, nix essen, nur gucken. Kein Geld. Deine Sache“. Und so sahen die Kisten der nicht mehr "Lebendigen“ aus:


Mein Blick verrät mein leicht aufsteigendes Unwohlsein. Ayi verschwindet und kommt mit einer Miniaturausgabe der Lieferung zurück. Die sieht so aus:


Ahhhhhh! Xian-Krieger! Lebensgroß, 2,10 m. Na klar, die haben wir bestellt, vor Wochen! Herrgott, warum sagt mir denn niemand etwas!

Wieder ein Anruf. Abends halb zehn auf Heiners Handy. „Servus! Ja, grias de. Ah, du wuist Claudia?! Ja, de is do.“ Wer ist denn das so spät am Abend?? “Ja mei!!! Der Abfalter Wolfi!! Wo bist Du denn bitteschön?? Was? In Shenyang?? Ich glaubs ja nicht!! Freilich hab ich Zeit für Euch!“ Kurz vor meiner Abreise kommt der Wolfi hier im Nordosten der Welt vorbeimarschiert! Ha! Ohne Voranmeldung. Besucht einen Kumpel und bei der Gelegenheit natürlich auch das Spunerl. Abmarsch am nächsten Tag in die Tai Yuan Street. Underground Market ist angesagt, aber vorher bestell ich den Jungs was Schönes. Street Food! Wenn, dann schon richtig. Aber es hat geschmeckt, wie man sieht und wir hatten unseren Spaß, eh klar!





Abends geht es weiter. Mit Pauline im Schlepptau komm auch ich noch in den Genuss der Angesagten Clubs in Shenyang. Mensch, da hab ich ja echt was verpasst!! Tja, so ist das, wenn man nur von Müttern mit Kleinkindern umgeben ist. Auf Nightlife hat da niemand so richtig Lust. Ich schon. Es wird ein richtig, richtig gelungener und lustiger Abend. Die Jungs sind begeistert, als ich ihnen den Abzug unseres 218 PS Schlitten mal so richtig vorführe, nur Pauline muss ich auf der Heimfahrt versprechen, NIE, NIE mehr wieder so Gas zu geben! Hey, ich hab den Führerschein seit 25 Jahren!! Jawoll! Leute, da seid ihr noch in den Windeln gelegen, als ich schon die Straßen unsicher gemacht hab. Und eigentlich fahr ich so auch nicht, wenn Beifahrer an Bord sind. Eigentlich.



Bei diesem Foto hätt ich mir fast ein Hausverbot eingeholt, denn: Fotografieren in Clubs ist in China strengstens verboten!! Aber was scheren mich Regeln, so kurz vor meiner Ausreise.


Die Saison ist eröffnet. Am 13. Mai 2010 wird das erste Mal Rasen gemäht. Luis wartete schon seit Tagen ungeduldig auf seinen „Lao Hu“, unseren Gärtner. Bereits am Tag darauf meinte er, „Mami schau mal, das Gras ist schon wiiiiieder so hoch. Lao Hu muss kommen und noch mal Rasen mähen“. Rasen mähen ist Luis`s große Leidenschaft. Mal sehen, ob das in zehn Jahren immer noch so ist


Dramatisch, mal wieder, das Pony ist weg. So richtig. Weg. Für immer. Im September auf Boracay haben wir „das Baby“ verloren. Nun, in Shenyang, das Pony. Luis mag nachmittags plötzlich nicht mehr schlafen und wacht morgens um 6.30 Uhr auf. Das kennen wir gar nicht. Mussten wir ihn sonst um 8 Uhr aus den Federn werfen, werden wir seit dem „Pony-Verlust“ mit einem morgendlichen Weckruf aus den Träumen gerissen. Ohoh! Wohl denen, dessen Kind KEIN „Schnuffeltier“ besitzt. Hier noch ein Bild, welches Luis selbst einen Tag vor dem Verschwinden gemacht hat. Als hätte er es gewusst, schluchz...

Guilin bzw. Yanghuo war suuuper! Ein Highlight ganz nach unserem Geschmack, wenn auch das Wetter nicht so wirklich mitgespielt hat und Luis von einem Magen-Darm-Virus geplagt war. Aber das kennen wir ja schon. Hat er ja fast immer, wenn wir on tour sind. Nichtsdestotrotz, die Bilder zeigen Euch unsere Eindrücke vom Land der Zipfelmützenberge. Es gibt sie noch die Märchen, man muss nur seine Augen weit genug aufmachen ...

 





 

GOOD BYE CHINA!! Das Ende naht ...

Mittwoch, 26. Mai 10:52 Uhr

Wer hat an der Uhr gedreht?? 21 hours to go!!!

Ich packe immer noch. Ein und aus und um und wieder von vorne. Wie kann man sich nur so anstellen!! Dazu: Der schönste Tag des Jahres, 26 Grad, strahlend blauer Himmel, herrlich - würde man meinen. Mir ist nur zum heulen. Beginnt ein Satz mit "wann" dann kullern schon die Tränen und ich bringe kein Wort mehr hervor. Darf es denn wahr sein?! Gestern ging es los. Morgens kommt Luis, setzt sich auf meinen Schoß und sagt: "Mami, kommen wir denn wirklich, nie, nie mehr zurück?" Da wurden meine Augen bereis feucht. Auf meine Antwort folgte der Satz: "Aber ich liebe meine Ayi doch so sehr, ich will nicht weg!" Da war es dann endgültig vorbei. Seitdem weicht Luis nicht mehr von ihrer Seite. Was macht man da nur?? Wie soll ich ihm erklären, dass Zeit alle Wunden heilt?! Dass ein Ende auch einen neuen Anfang bedeutet?? Dass er es in Deutschland viel schöner haben wird? Aber hier ist seine Heimat und hier ist er verwurzelt. Alles ist ihm vertraut. Alles. Er kennt jede Straße, jeden Baum, alle Menschen in diesem Compound und alle kennen ihn. Die Arbeiter freuen sich wenn sie Luis sehen und rufen schon von weitem "Luis'e, Luis'e". Für sie bedeutet Luis Abwechslung aus ihrem tristen Alltag. Jeden Tag marschiert Luis mit seiner Ayi von einer Baustelle zur anderen und von einem Gärtner zum anderen. Überall ist er willkommen, überall darf er helfen. Und genau das wird in Deutschland nicht mehr so sein. Mit Kindern stößt man eher auf Ablehnung, keiner will gestört werden, jeder will seine Ruhe. Wir werden es vermissen, dieses Gefühl des "Willkommen seins". Mein Frohmut ist gerade mal untergetaucht, aber das wird schon wieder.

Was noch gesagt werden muß: Luis kann Fahrrad fahren. Nicht nur ein bißchen. So richtig. Mit Bremsspuren machen und so. Video folgt. Ein Upload ist ja von hier aus verboten.

Hier mein kleiner Abschiedsbrief für alle, die ich evtl. vergessen habe anzuschreiben:

Liebe „Mitimbootsitzer“!

Unser vierjähriger Aufenthalt in Shenyang geht zu Ende...

China hat uns eine ganz besondere Zeit beschert, nicht immer einfach, aber mit vielen Erfahrungswerten. Wie sehr man auch leiden mag, vor allem in der Startphase, so sehr gewöhnt man sich auch an das Leben hier. Es dauert seine Zeit, bis man den richtigen Blickwinkel gefunden hat, um sich hier zuhause zu fühlen. Wir wünschen vor allem allen neuen Expats, dass es ihnen ebenso ergeht und sie sich mit dem Land und den Menschen arrangieren können.

Für uns heißt es nun: Aufbrechen in eine neue Ära! Ohne Schwierigkeiten, sich als Ausländer zu fühlen und anpassen zu müssen, aber auch ohne die Unbeschwertheit des Expat-Lebens.

Alles über unsere Zeit in China könnt Ihr auf unserer Homepage www.spuni.eu nachlesen. Dort erfahrt Ihr auch in Zukunft, wie es mit uns weitergeht.

Wir möchten uns hiermit von Euch verabschieden und wünschen Euch weiterhin eine glückliche und vor allem gesunde Zeit.

Claudia & Luis

Dear friends,

Our four-year stay in Shenyang is over ...

China has given us a very special time, not always easy, but with lots of experience. How much we suffered, especially in the starting phase, that much we also got used to living here. It takes time before you have found the right view in order to feel at home here. We wish especially all new expats that they feel the same in the near future and they can arrange with the land and people.

For us, it is now: Starting a new era! Feel no difficulty as foreigners and must adapt to, but even without the light heartedness of the expatriate life.

You can read everything about our time in China on our website www.spuni.eu. There you will learn in the future, what happens to us.

We would like to say goodbye to you and wish you continued success and, above all, a healthy time.

Sonntag, 23. Mai 21:01 Uhr

Der Countdown läuft!!! Noch 3 Tage ... ich fass es nicht!

Ihr glaubt ja gar nicht, was man so alles mit sich rumschleppt. Jetzt waren wir hier nur zu Besuch und haben sowieso nicht alles dabei gehabt. Nur das Nötigste! Ha, dass ich nicht lache. Das Nötigste! Das wären hier praktisch Ohrstöpsel und Tarnkappe. Dabei füllt unser Hab und Gut mittlerweile einen 40 Fuß Container. Versuche seit Tagen irgendwie systematisch vorzugehen, um all die Sachen zu sortieren. Es will einfach nicht klappen! Renne den ganzen Tag vom dritten Stock nach unten, durch die Garage in den Garten, um dann wieder im dritten Stock weiter zu machen. Dabei kommt mir 100-prozentig etwas in die Hände, das wieder nach unten durch die Garage vor das Haus in den Abfall muss. Das lege ich nicht etwa zur Seite und warte, bis ich das nächste "Glump" in die Hände kriege das entsorgt werden muss, NEIN, ich erledige das sofort und renne wieder los, als hätte ich sonst nichts zu tun. So geht das den ganzen Tag. Dazwischen fällt mir immer mal wieder ein, dass vielleicht die Klamotten aussortiert werden müssten. Also, runter in den zweiten Stock, rein in den begehbaren Kleiderschrank. Da sitz ich dann auf dem Boden und bewundere die Vielfalt dessen, was da so hängt und liegt. Woher kommt das alles?? Es ist mir ein Rätsel. Der Anblick allein überfordert mich schon, vor allem zu wissen, da muss jetzt Ordnung rein. System. Erst mal muss entschieden werden, was in den Koffer, in die Luftfracht oder in den Container soll. Leute, das sind drei Möglichkeiten für jedes einzelne Kleidungsstück! Drei Stunden hab ich angesetzt. Zähl ich jede Socke einzeln, dann sind es bestimmt über 1000 Sachen. 1000 mal drei dürfte so um die 3000 ergeben, hab ich recht? 3000 Entscheidungen in drei Stunden??!! Pah! Das muss mir mal einer vormachen. Alle 4 Sekunden ein Kleidungsstück auf einen bestimmten Haufen werfen??? Niemals!

Ich nehme ein Stück in die Hand und überlege erst "Wann hab ich das jemals schon getragen? Werde ich es jemals tragen? Könnte es nicht doch sein, dass ich es (obwohl seit drei Jahren NIE getragen) unbedingt ganz dringend die erste Woche in Deutschland benötige? Kann ich mich von diesem Stück trennen und falls ja, wie lange? Eine Woche, bis die Luftfracht kommt? Acht Wochen, bis der Container kommt? Oder etwa für immer?? Würde ich es verkraften, wenn das Frachtschiff mit meinem Container und im speziellen, diesem einen ganz besonderen Kleidungsstück sinken würde?" Also, mit drei Stunden ist da nichts zu machen, nie und nimmer. So räum und sortier ich also weiter, muss mich dazwischen immer wieder erholen, um auch meine Gedanken zu sortieren und unsinnige Berichte für die HP zu verfassen. So, jetzt geht es mir besser. Das musste ich jetzt grad mal loswerden.

Heiner hat gerade meine Zeilen gelesen und gemeint: "Ach, jetzt verstehe ich das. Hab mich schon gefragt, was Du da eigentlich machst die letzten Tage." Männer! Die haben damit natürlich kein Problem. Ihr Schrank ist nicht mal annähernd so voll wie unserer. Sie müssen sich nicht mit der Frage befassen: "Welche fünf Paar Schuhe brauch ich zum Überleben in den nächsten fünf Tagen?"

So. Nun ist es 22.52 Uhr. Hatte Heiners volle Unterstützung die letzte Stunde. Hätte ich den Bericht mal früher geschrieben. Oder, vielleicht sollten wir auch einfach mehr miteinander kommunizieren? Was soll ich sagen? Die Luftfrachtkiste ist halb gefüllt (vorher war sie leer, aber immerhin umzingelt mit unzähligen Dingen so im Umkreis von ca. zwei Metern). Zusätzlich haben wir festgestellt, dass unser Alkoholvorrat noch für mindestens drei Einweihungspartys, zwei Abschiedsfeten und diverse runde Geburtstage reichen würde. Das haben wir zum Anlass genommen, auf unseren letzten gemeinsamen Sonntag in Shenyang anzustoßen. So. Das alles innerhalb einer Stunde. Auf die Männer ist halt einfach Verlass! Vielleicht sollte ich öfters so mädchenhaft sein und nicht immer alles Selbst erledigen wollen. Tja, Chinesin müsste man sein. Bin ich aber nicht und will ich auch gar nicht. Wär ja noch schöner! Dann hätte ich ja nur ein paar Schuhe oder wenn es hoch kommt zwei. Dann lieber alles selber machen.

Ach, bevor ich es vergesse. Meine Mädels in D haben mir vor vier Jahren zum Abschied ein ganz spezielles Lied gewidmet. "Dieser Weg" ... Tja, besser hättet ihr es nicht vorhersehen können. Dass nun aber gerade das Packen am steinigsten und schwersten sein wird auf dieser langen Route, das hättet ihr euch sicher nicht träumen lassen, was?! Ha, ha! Ich auch nicht. Bald habt ihr mich wieder und dann brauchen wir zur Willkommensfete ein Lied mit dem Titel "Da bin ich wieder." - Alles wird gut.

 
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