Spuni & family
  Jan,Feb 2010
 
Winterwonderland. Denk ich an Deutschland, denk ich an Schneeflocken. Was für ein Winter! Einzigartig und wunderbar, wie ich fand, viel zu heftig und nervig für andere... Zwei Monate Deutschland sind vorübergegangen wie im Flug, wo ist nur die Zeit geblieben? Und zum Abschied hat es dann erneut geschneit... genauso hier zur Begrüßung, ja ist das denn möglich? Nun sitze ich hier am Fenster und betrachte den letzten Schnee im Garten, die Sonne scheint, alles perfekt. Wieder daheim, einerseits und nicht mehr daheim, andererseits. Eine ehemalige Kollegin sagte zu mir: In Deinem Leben ist immer was los! Oh ja... Langeweile kommt bei mir nicht auf, bloss nicht stehenbleiben...

Neue Behausung ist gefunden, Job ist noch pending, aber die Richtung scheint klar. Step by step, so fügt sich alles.

Luis hatte sich gut integriert im deutschen Kindergarten... allerdings unter heftigen Tränen die ersten Wochen. Da blutet das Mutterherz, aber was sein muss, muss sein. Nun wieder die Umstellung... aber auch das ist gut und wird ihm zeigen, dass es im Leben Veränderung gibt. Und dass es nicht schlimm sein muss, wenn es anders wird, denn es geht immer weiter und er lernt dadurch Sicherheit kennen, auch wenn nichts so bleibt wie es war. Früh übt sich eben!

Ein komisches Gefühl ist es schon, zu wissen, dass man das Land nun bald verlassen wird, auf Nimmerwiedersehen. Eine große Umstellung wird Deutschland nicht, aber hin und wieder merkt man schon, dass man eine zeitlang nicht dagewesen ist. Man stößt immer wieder auf Veränderungen, über die man nichts weiß. Und leider auch auf kopfschüttelnde Menschen, ob der Unwissenheit über bestimmte Dinge. Ja, das ist Deutschland.

Dann kommen noch die kleinen Dinge des Lebens hinzu... wie z.B., dass man in China nicht selbst tankt, sondern tanken lässt! Manch einer mag das noch aus seiner Kindheit in Erinnerung haben... Ich jedenfalls in Deutschland am zweiten Tag an der Tankstelle. Tanken, zahlen, Kind wartet im Auto, angeschnallt im Kindersitz. Mama zahlt, dem Kind ist langweilig. Kind drückt mal eben auf die Zentralverriegelung. Auto zu. Schlüssel... steckt! Der Handgriff mit dem Schlüssel ist in meinem Gehirn nicht gespeichert... oder besser gesagt: WAR nicht gespeichert bis zu eben jenem Zeitpunkt. So. Was tun? Mit einem netten Lächeln und ein wenig Hilflosigkeit ist man immer noch am besten beraten, nachdem man panisch sein Kind von draussen angewiesen hat, den Türgriff zu ziehen, dieses aber wegen des Gurtes sich keinen Zentimeter nach vorne bewegen kann, es aber trotzdem verzweifelt versucht. Der nächstbeste Mann muss ran. Der fragt erstmal sinnlos nach meinem halben Lebenslauf, das wird auch meinem Kind zu dumm und es befreit mich aus der misslichen Lage. Geistesgegenwärtig rutscht er nach unten, um mit dem Fuss in die Mitte der Frontkonsole auf die Taste Zentralverriegelung zu treten und schwupps, sind die Türen wieder auf. Luis ist 3 Jahre und 5 Monate, bisher nicht mit Mercedes A Klasse vertraut und das Zeichen für Zentralverriegelung kennt er nun sicher auch nicht... oder eben doch. Hat halt den IQ der Mama geerbt... der soll ja vor allem für Orientierung/Reaktion in neuen Situationen gut sein. Na, wer sagts denn??!

Für Luis auch neu: Die Waschstrasse! Boah... was geht’n da ab?? Neu: Es brummt, piept, blinkt, bläst und fertig, achso, ja, Wasser hätte ich fast vergessen: kostet ca. 10 Euro. Luis kennt das so: Wagen fährt ein, wird grob abgespritzt, schon fällt wie auf Kommando ein wild rotierendes Wäsche-Geschwader vom Himmel und wirft sich auf das Auto wie ein Schwarm Piranhas auf eine ins Wasser gefallene Bergantillope. Einmal zählte ich acht Männlein gleichzeitig. Ein Wirbelwind aus Tuch und Leder hüllt einen ein, eine Gischt aus Schaum und Wasserfontänen prallt an die Fenster, hier taucht ein glotzendes Auge aus der Gischt, dort wischt ein Haarschopf vorüber, und kaum hat man sich die Augen gerieben ist der Spuk auch schon vorbei und das Auto blitzblank: für nen Euro!

Ach ja, und noch was... Sprichwörter! Sind in China imstande, dem Stolz und dem Selbstvertrauen eines jeden Chinesisch-Lernenden tödliche Wunden beizubringen. Da hat man sich nach Jahren des Lernens zu der Illusion verstiegen, man beherrsche die Sprache leidlich, bekommt noch kräftig Honig ums Maul geschmiert (Ich: „Guten Tag.“ Chinese: „Oh, Ihr Chinesisch ist exzellent!“), worauf man munter drauflos plappert (wie ich gestern am Flughafen in Peking). Man schwatzt und lacht – und mit einem Mal sagt Ihr Gegenüber: „Tigerkopf, Schlangenschwanz.“ Äh... wie bitte? „Ist doch klar“, fährt der Chinese fort: „Schieben drei, aufhalten vier.“ Mir ist lediglich eines klar: Dass es sich hier wahrscheinlich nicht um eine chinesische Fussballtaktik handelt. Und so grinse ich erstmal wie ein Schaf, nicke eifrig „Sowieso“ und verabschiede mich eilig, „mein Flug wird aufgerufen“! Es gibt Sprichwörter, die erklären sich von selbst: „Wenn du in ein Dorf gehst, folge den Gebräuchen dort.“ Leider sind diese in der Minderzahl. In meinem Fall zumindest ist es so, dass meine chinesischen Bekannten meist „der Kuh auf der Zither vorspielen“ (Perlen vor die Säue werfen), wenn sie zum Beispiel ausrufen: Sai weng shi ma – „Der Greis an der Grenze hat sein Pferd verloren.“ Dazu müsste ich nämlich wissen, dass das Pferd später zu dem alten Mann zurückkam – in Begleitung eines zweiten Pferdes. Ein Glücksfall also? Dass der alte Mann das zweite Pferd seinem Sohn schenkte, der von dem Tier prompt abgeworfen wurde und sich das Bein brach. Ein Unglück? Dass das gebrochene Bein den Sohn schließlich davor bewahrte, zur Armee eingezogen zu werden! Also doch ein Geschenk des Himmels! Dass diese in gerade mal vier Schriftzeichen verborgene Geschichte also bedeutet: Fälle keine voreiligen Urteile darüber, ob etwas zum Guten oder zum Schlechten ist, die Welt hält immer neue Überraschungen bereit. Die Welt?

China.

Dann will ich mal sehen, ob ich herausfinde was mein Gegenüber denn nun gemeint hat gestern...

(Nachtrag: es geht um Beständigkeit... nicht groß anfangen und mit nichts enden, wie ein Tiger der zum Sprung ansetzt und als Bettvorleger endet / drei schieben, vier aufhalten: sich nicht selbst loben, denn das ist unehrenhaft) Der Ratschlag eines Chinesen also, wie man am besten Erfolg hat!

Habe mir schonmal überlegt, wie ich die Atmosphäre von Shenyang, in einem Anflug von Sehnsucht, originalgetreu rekonstruieren könnte. Ich werde von meinem Wohnzimmer aus ein Rohr in die Garage legen. Das Garagentor schliessen. Den Motor des Autos starten. Mit Wehmut die Schwaden beobachten, die mein Wohnzimmer füllen. Eine Flasche mitgebrachten Reisschnaps, Pinsel und Tusche holen und ein Gedicht auf die weißen Wölkchen verfassen, die über meinem Sofa schweben. Werde in jedem Zimmer eine rote, mit Pfingsrosen bemalte Thermoskanne aufstellen und mir daraus alle paar Stunden ein Glas lauwarmes Wasser einschenken. Jedem Schluck ein genussvolles „Aaaaah!“ hinterherschicken, aus der Tiefe meiner Seele. Und: Ich werde nett zu Ausländern sein!

So, das war es erstmal... und: freut euch über jedes Schneeflöckchen... so wie ich, denn: Es könnte das letzte sein für diesen Winter!

 
 
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